Donnerstag, 28. November 2013

Predigt des heiligen Johannes von Shanghai von 1937- wieder so aktuell wie damals!

Wohin sollte ich gehen vor Deinem Geist, und vor Deinem Antlitz, wohin sollte ich fliehen? Stiege ich hinauf in den Himmel, so bist Du dort, stiege ich hinab in die Unterwelt, bist Du zugegen. Nähme ich meine Flügel am Morgen und ließe mich nieder am äußersten Meer: Auch dort wird Deine Hand mich führen und Deine Rechte mich halten.(Ps 138, 7–10).

Die oben zitierten Worte des Psalmensängers David sollten wir in unseren Tagen besonders beachten, da die ganze Welt gleichsam ins Wanken geraten ist und uns von überall her Nachrichten von verschiedenen Unruhen, Erschütterungen und Katastrophen erreichen. Die Aufmerksamkeit kann nicht bei den Ereignissen in einem Land verharren, da wird sie schon auf schlimmere Geschehnisse gelenkt, die unerwartet an anderer Stelle auftreten; kaum setzt man sich mit diesen auseinander, da lenken wieder neue Ereignisse den Blick an eine dritte Stelle und zwingen das Vorherige zu vergessen, obwohl das nicht beendet ist.
Umsonst werden Konferenzen von Vertretern verschiedener Länder einberufen, die versuchen, ein Heilmittel für die allgemeine Krankheit zu finden; sie machen sich und anderen Mut, indem sie leichtfertig sagen: Frieden! doch Frieden gibt es nicht (Jer 6, 14; 8, 11).
Den Unglücken in jenen Ländern, in denen sie bereits vonstatten gehen, wird nicht nur kein Einhalt geboten, sondern Neue treten plötzlich an solchen Stellen auf, die bislang als sicher und ungefährlich galten.
Diejenigen, die aus einem Unglück fliehen, geraten in andere, häufig noch schlimmere: Wie einer sich vor einem Löwen retten will und stößt auf einen Bären, und tritt er in das Haus und stützt sich an die Wand mit seiner Hand, da sticht ihn eine Schlange (Am 5, 19); oder wie ein anderer Prophet sagt: Wer flieht vor greulichem Geschrei, der fällt in eine Grube, und wer nicht in die Grube fällt, verfängt sich in dem Garne. Der Höhe Gitter öffnen sich; der Erde Gründe schüttern. (Jes 24, 18).
Ähnliches sehen wir auch in der gegenwärtigen Zeit.
Menschen, die zu friedlicher Arbeit ausziehen, werden plötzlich Opfer von Kriegshandlungen, die dort entstehen, wo sie am wenigsten erwartet wurden.
Menschen, die sich vor Kriegsgefahr in Sicherheit bringen, erleiden die Schrecknisse der Not von Elementargewalten – Erdbeben oder Taifune.

Viele finden den Tod dort, wo sie vor dem Tod Zuflucht suchten. Andere sind bereit, lieber ihr Leben der Gefahr auszusetzen, als in der Erwartung anderer Unglücke an Orten zu verschmachten, die man für ungefährlich hielt, aber nun zum Schauplatz von Unglücken werden können.
Es scheint keinen Platz auf dem Erdball zu geben, der in letzter Zeit ein stiller und ruhiger Hafen von weltweiten Unbillen gewesen wäre.
Schwierigkeiten politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Natur. Gefahren durch Flüsse, Gefahren von den Räubern, Gefahren von meinem eigenen Volke, Gefahren von den Heiden, Gefahren in der Stadt, Gefahren in den Einöden, Gefahren auf dem Meere, Gefahren von falschen Brüdern (2 Kor 11, 26).
Zu diesen Widrigkeiten muß man in unseren Tagen noch «Unbill in der Luft und Unbill aus der Luft» hizufügen, die besonders schrecklich sind.
Aber als die vom Apostel aufgezählten Schrecknisse auch der allerhöchste Apostel selbst erleben mußte, so hatte er doch einen großen Trost. Er wußte, daß er für Christus leidet, und daß Christus ihn dafür belohnt. Ich weiß ja, wem ich geglaubt habe, und bin überzeugt, daß Er die Macht besitzt, mein hinterlegtes Gut bis zu jenem Tage zu behüten (2 (Tim 1, 12). Er wußte, daß Christus, sollte dies nötig sein, ihm Kraft verleiht, auch noch größere Schrecknisse zu erdulden, und deshalb spricht er mutig: Ja, ich vermag alles, in Dem, der mir die Kraft dazu gibt (Phil 4, 13).
Für uns sind jedoch die jetzigen Schrecknisse so furchtbar, weil sie uns nicht wegen unserer Glaubenskraft ereilten, und weil wir sie nicht um Christi willen ertragen. Daher erwarten wir keine Kränze für sie.
Was aber wesentlich schlimmer ist und was uns im Kampf mit den Unbillen ohnmächtig macht, ist die Tatsache, daß wir uns nicht auf die Kraft Christi stützen und nicht auf Gott, sondern auf menschliche Kraft und Mittel vertrauen.
Wir vergessen die Worte der Heiligen Schrift: Vertraut nicht auf Herrscher, auf Menschenkinder, bei denen kein Heil ist. Selig, dessen Helfer der Gott Jakobs ist! Seine Hoffnung ruht auf dem Herrn, seinem Gott (Ps 145, 3.5). Und außerdem – Wenn nicht der Herr das Haus erbaut, mühen sich seine Erbauer vergeblich (Ps 126, 1).
Wir versuchen, eine feste Stütze an Gott vorbei zu finden, und es geschieht uns nach den Worten des Propheten: So werde dieser Frevel euch ein Riß, zum Einsturz führend, ein Bruch an hoher Mauer, die plötzlich unversehens niederstürzt (Jes 30, 13). Weh denen, die sich auf solche Mauern stützen! Wie eine umstürzende Mauer die begräbt, die sich darauf stützten, so kommen mit dem Untergang falscher Hoffnungen diejenigen um, die auf sie gehofft haben. Jene Hoffnungen werden für sie zu einem Rohrstab. Wenn sie an deiner Hand dich faßten, so knicktest du zusammen, zerrissest ihnen ihre Schultern. Wenn sie auf dich sich stützten, gingest du in Stücke und machtest ihnen Schmerzen in der ganzen Hüfte (Ez 29, 7).
Ganz anders geschieht es mit denen die Gottes Hilfe suchen.
Gott ist uns Zuflucht und Stärke, ein Helfer in den Nöten, die heftig auf uns stießen. Deshalb fürchten wir uns nicht, wenn die Erde erschüttert wird und Berge versetzt werden in die Herzen der Meere(Ps 45, 2–3).
Nichts ist dem auf Gott Vertrauenden furchtbar. Er fürchtet nicht den bösen Menschen. Der Herr ist meine Erleuchtung und mein Retter: Wen sollte ich fürchten? Der Herr ist der Beschützer meines Lebens: Vor wem sollte ich mich ängstigen? (Ps 26, 1).
Nicht fürchtet er die Schrecknisse des Krieges. Wenn wieder mich antritt ein Heer: Mein Herz, es fürchtet sich nicht. Wenn wider mich aufsteht ein Krieg: Meine Hoffnung, sie ruht auf Ihm (Ps 26, 3).
Ruhig wohnt er zu Hause. Wer in der Hilfe des Höchsten wohnt, im Schutze des Gottes des Himmels lagert er sich (Ps 90, 1).
Er ist bereit über das Meer zu fahren: Im Meer da ging Dein Weg und Deine Pfade in vielen Wassern, und Deine Spuren erkennt man nicht (Ps 76, 20).
Mutig wie auf Flügeln fliegt er durch die Luft in entlegene Länder,und spricht: Auch dort wird Deine Hand mich führen und Deine Rechte mich halten (Ps 138, 10).
Du mußt dich nicht fürchten vor nächtlichem Schrecken, vor dem Pfeil, der am Tage fliegt, vor dem Wesen, das in der Finsternis schleicht, vor einem Angriff und dem Mittagsdämon (Ps 90, 6).
Er weiß, daß, wenn es Gott genehm ist, sein Leben zu bewahren,fallen werden zu seiner Seite tausend und zehntausend zu seiner Rechten, ihm aber wird sich’s nicht nahen (Ps 90, 3).
Aber auch der Tod ist ihm nicht schrecklich, denn für wen das Leben Christus ist, für den ist der Tod ein Gewinn (Phil 1, 21). Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Fährlichkeit oder Schwert?.... Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn (Röm 8, 35. 38–39)Weil wir nun solche Verheißungen haben, meine Lieben, so lasset uns von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes uns reinigen und die Heiligung vollenden in der Furcht Gottes (2 Kor 7, 1). 
So spricht der HerrÖffne des Unrechts Bande, löse des Joches Knoten, befreie Geknechtete und zertrümmere jeglich Joch. Breche den Hungrigen dein Brot und führe obdachlose Arme in dein Haus ein, und siehst du einen nackt, dass du ihn kleidest, und nicht die deinigen verachtest. Dann bricht dein Licht hervor wie Morgenrot, und schnell vernarben deine Wunden. Dein Heil zieht vor dir her, und deine Nachhut ist die Herrlichkeit des Herrn. Du rufst, der Herr gibt Antwort. Du schreist um Hilfe, und Er spricht: Ich bin schon da!( Jes 58, 6–9).
Herr, belehre uns Deinen Willen zu tun und erhöre uns an welchem Tag wir zu Dir rufen!
Deine Barmherzigkeit, Herr, sei auf uns, da wir auf Dich vertrauen.


Demütiger Johannes, Bischof von Shanghai
30. August 1937

Quelle: Der Bote

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