Dienstag, 26. November 2013

Das Wirken des Dreieinen Gottes Priester Johannes R. Nothhaas


Im Heilsplan Gottes zur Errettung der Menschheit hat jede der drei Personen des dreieinen Gottes einen gleichwertigen Beitrag geliefert. Nach dem Sündenfall hat Gott der Vater im Alten Bund durch die Erwählung seines Volkes Israel und durch den übrigen Gang der Weltgeschichte das Kommen des Sohnes vorbereitet.
Durch seine Offenbarungen im Volk Israel durch das Gesetz und durch die Propheten wurde zweierlei deutlich:

Das Gesetz schafft nicht das Heil, sondern zeigt nur die Unmöglichkeit, Gottes Willen zu tun.
Die Propheten verweisen auf den Messias, den kommenden Retter.

Im übrigen Gang der Weltgeschichte schafft Gott, der Vater, die idealen Voraussetzungen, dass auch die anderen Völker an diesem Heilsplan Gottes teilnehmen können. Zuerst lässt er im Orient ein Großreich entstehen, das sich bis an die Grenzen des damaligen Griechenland, bis an die Küste Kleinasiens, erstreckte. Die Begegnung mit der griechischen Kultur erweckte den Eroberungswillen der Perser. Die Feldzüge der Perser zu Lande und Wasser scheiterten jedoch und wurden für die Griechen unter der Führung Alexanders d. Gr. zum Anlass, nun seinerseits das Perserreich zu erobern. Alexander schuf innerhalb von wenigen Jahren ein Großreich, das von Makedonien bis zum Ganges, der Grenze zu Indien reichte. Obwohl das Reich nach seinem Tod schnell zerfiel war Griechisch zur Handelssprache zwischen Orient und Okzident geworden. Auf dieser sprachlichen Brücke konnte sich die jüdische Diaspora im Mittelmeerraum ausbreiten. Inzwischen waren die Römer zum Beherrscher des Mittelmeeres geworden. Als sie begannen den nordwesteuropäischen Raum zu erobern, war in der Geschichte der ideale Zeitpunkt gekommen, an dem das Christentum auf die Weltbühne treten konnte. Durch die Infrastruktur des römischen Weltreiches und die überall vorhandenen jüdischen Diasporagemeinden war es dem neuen Glauben möglich, sich innerhalb von einem Jahrhundert von Palästina bis nach Spanien, Gallien und Germanien auszubreiten.

Nun trat die zweite Person des dreieinen Gottes in die Geschichte - durch seine übernatürliche Geburt und Menschwerdung. „Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn“ (Heb 1,1). Seine Botschaft ist: „Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ Die Menschen erfahren das Kommen dieses Reiches durch Jesu ergreifende Verkündigung und die Wunderheilungen. Es entsteht das neue Wort: „Evangelium“, d.h. Frohbotschaft. Mit dieser erregt er Neid und Hass der Juden, die ihm deshalb nach dem Leben trachten. Mit seiner Kreuzigung dringt er ein in das Reich des Todes, der ihn, den Gottessohn, nicht halten kann. Er kehrt unter die Lebenden zurück als der Erstling, der den Tod überwunden hat. Vierzig Tage weilt er unter seinen Jüngern, stattet sie mit Vollmacht aus, das, was er in seinem Wort und in seinen Wundern angefangen hat, fortzuführen. Sie sollen wie er, das Evangelium in alle Welt hinaustragen und die Menschen seine heilende Kraft auch für den Leib erfahren lassen. Er rüstet sie aus mit der für Seele und Leib wirkenden Heilkraft der Mysterien: Taufe, Eucharistie und der Vollmacht, Sünden zu vergeben. Er verheißt ihnen den Heiligen Geist, den „anderen Tröster“ (Joh 14,16), der sie in „alle Wahrheit leiten wird“ (Joh 16,13). Mit dieser Verheißung hat der Sohn seine Sendung im Heilsplan Gottes auf Erden erfüllt und fährt gen Himmel.

Jetzt tritt die dritte Person des dreieinen Gottes in die Geschichte ein durch die Ausgießung des Heiligen Geistes unter Sturmwind und Erscheinung vor Feuerzungen. Es ist der fünfzigste Tag nach der ersten Erscheinung des Auferstandenen, griechisch: pentekosti, deutsch: Pfingsten. Mit dem Herabkommen des Geistes auf die Apostel wird die Vollmacht, mit der sie Christus ausgestattet hat, freigesetzt. Von diesem Heilsereignis an kommt die Kirche Gottes in Bewegung und fängt an, die Geschichte der Menschheit zu prägen. Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche. Der Sohn ist zum Vater zurückgekehrt, thront zu seiner Rechten, und an seiner Stelle ist der Geist unter den Menschen, um sie durch die Geschichte hindurch in das Reich Gottes zu führen.
Die Schwierigkeit des richtigen Verstehens des Geistes ist, dass er weder durch Stimme, wie der Vater im Alten Testament, noch durch eine personale Erscheinung den Menschen begegnet ist. Die Erscheinung in Feuerzungen am ersten Pfingsten ist auch nur eine abstrakte und dazu einmalige Erscheinung gewesen. Von daher ist die Versuchung groß, wegen seiner Unvorstellbarkeit dem Geist eine untergeordnete Rolle im Wirken des dreieinen Gottes zu geben.

Diese Minderung des Geistes ist in der westlichen Christenheit geschehen durch eine Überbetonung des Wirkens des Gottessohnes im Amt des Bischofs von Rom. Sein offizieller Titel ist Vicarius Christi, d.h. Stellvertreter Christi. Die Orthodoxe Kirche sieht nach der Himmelfahrt des Herrn den Heiligen Geist als den Lenker der Kirche in der Geschichte. Dies sagt natürlich auch die Kirche von Rom, stattet aber den Bischof von Rom mit solchen Vollmachten aus, dass das Wirken des Geistes in den Hintergrund gedrängt wurde. Denn der Papst kann „aus sich heraus ohne die Zustimmung“ der Kirche theologische Entscheidungen treffen.
Die am weitesten verbreitete Art der Minderung des Geistes ist, sein Wirken zu reduzieren auf das Entfachen der Frömmigkeit in den Gläubigen. Seine Existenz wird nicht geleugnet, nur verinnerlicht. Da er nicht in den alltäglichen Gebeten erwähnt wird und auch keine oder nur verdeckte Funktion in den Mysterien (Sakramenten) hat, kommt dies nahe heran an eine „Entfunktionalisierung des Geistes“ (M. Kunzler).
Die Verdrängung des Geistes in Theologie und Leben der Kirche darf nicht gering geschätzt werden. Sie ist ein Krebsschaden und kann nur geheilt werden, wenn der Heilige Geist wieder als Person wahrgenommen wird. Unerlässlich ist seine Funktion in Gottesdienst und privater Frömmigkeit des Einzelnen.

So bedarf es in der westlichen Theologie aus orthodoxer Sicht einer Aufwertung des Geistes. Er muss bei der Segnung der eucharistischen Gaben eine ebenso bedeutende Rolle einnehmen wie der Gottessohn selbst. Die Epiklese ist daher nach den Einsetzungsworten das Kennzeichen altkirchlicher Pneumatologie (Lehre vom Geist), in der der Geist noch seine volle Bedeutung hatte.
Auch für das geistliche Leben in den eigenen vier Wänden muss der Geist miteinbezogen sein. Er darf nicht reduziert werden zum Ventilator unsres Frömmigkeitsflämmchens. Er muss in unserem Gebetsleben angerufen werden wie Christus. Er muss bei all seiner Unkörperlichkeit und Unvorstellbarkeit unser Dialogpartner und Tröster sein: 
Himmlischer König, Du Tröster und Geist der Wahrheit, allgegenwärtig und alles erfüllend, Hort der Güter, Spender des Lebens, komm wohne in uns... Rette Gütiger unsere Seelen.

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